Zur Diskussion über Chancengleichheit an der Schule lud die Frauenzentrale Thurgau am Samstag in die PHTG in Kreuzlingen. Das Thema zog viele Interessierte an.
Frauenquote, Knabenförderung – Gleichstellung scheint in weiter Ferne. Während Mädchen lange Zeit der Weg zur höheren Bildung versagt blieb, sind Frauen heute auf der Überholspur. Andreas Wirth, SVP-Politiker und Präsident der Primar- und Sekundarschulgemeinde Frauenfeld, reichte 2019 mit zwei Mitstreitenden gar eine Interpellation ein und stellte die Frage, ob Knaben an Thurgauer Volksschulen ins Abseits geraten seien. Der Lehrplan 21 richte sich eher auf Mädchen aus.
Zur Veranstaltung «Jungs sind eben anders – Mädchen und alle anderen aber auch» gab der Historiker und Bildungsforscher Lucien Criblez ein Inputreferat. Geschlechtsspezifische Unterschiede im Unterrichtsplan hätten sich erst Ende der 1990er-Jahre aufgelöst. «Seit 1993 ist die gymnasiale Maturität bei Mädchen höher als bei den Jungen», sagte der Wissenschafter, der an der ETH Zürich forscht.
«Kinder kommen, was den Bildungsstand betrifft, ungleich in die Schule. Wenn wir alle gleich behandeln, bekommen wir Ungleichheit.»
«Frauen sind heute an den Unis in der Mehrheit. Aber was bedeutet das ohne Berücksichtigung der Fachspezifität?» Immer noch sind Frauen vor allem in gesundheitlichen, sozialen, sprachlichen oder künstlerischen Berufen an der Spitze, hinkten aber in Naturwissenschaften, Wirtschaft und Technik hinterher. Schon Anfang der 1980er-Jahre gab es die Forderung für flexiblere Familienmodelle. «An der Rollenaufteilung hat sich bis heute wenig geändert», bemerkte Criblez. Er ist überzeugt: «Wenn wir die Männer nicht mehr in die sozialen Berufe bringen, verändert das im Mint-Bereich nicht viel.» Mint steht für Medien, Informatik, Naturwissenschaften und Technik.
Kantilehrerin Eva Büchi sagt dazu: «Wir legen grossen Wert darauf, Mädchen in den Mint-Bereich zu holen.» Verena Rothenbühler, Historikerin und Publizistin mit Thurgauer Wurzeln, moderierte die Podiumsdiskussion und wollte von den Teilnehmenden wissen, wie sie zur Chancengleichheit in der Bildung stünden. Mette Baumgartner, Schulleiterin in Amriswil, betonte, dass gerade im Kindergartenbereich wichtig sei, was die Kinder aus dem Elternhaus mitbrächten. Die Kindergärtnerinnen müssten versuchen, die meist sprachlichen Defizite aufzuholen.
Anne Varenne, Präsidentin von Bildung Thurgau, sagte: «In der Schule selber werden heute weder Jungen noch Mädchen benachteiligt.» Aber bei der Lernmotivation fänden sich grosse Unterschiede. Eine Frage, die sie beschäftige, sei: «Wie bekomme ich Buben dazu, motiviert zu lernen?» Eine Lösung könnten männliche Vorbilder sein. Genau dies ist ein weiteres Problem, denn mit der Frage, wie Männer für den Lehrberuf gewonnen werden könnten, beschäftige man sich intensiv.
PH-Rektorin Sabina Larcher sieht die Zuschreibungen in männliche und weibliche Fähigkeiten in der Gesellschaft verankert. «Dabei ist die Bandbreite enorm. Wir haben eine Vielzahl von Persönlichkeiten vor uns.»
«Über eine Feminisierung im Lehrberuf diskutieren wir seit 40 Jahren. Aber an den Forschungsdaten sehen wir keine Zusammenhänge.»