Ärztemangel
Sirnach unterstützt künftiges Hausärztezentrum mit zinslosem Darlehen

2025 erhält die Gemeinde Sirnach mitten im Dorf ein Hausärztezentrum mit vier bis fünf Medizinerinnen und Medizinern. Über diesen Zuzug ist der Gemeinderat begeistert.

Olaf Kühne
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Einweihung 2025: Die Sirnacher Überbauung Unterdorf erhält nebst einem grossen Coop auch das Hausärztezentrum.

Einweihung 2025: Die Sirnacher Überbauung Unterdorf erhält nebst einem grossen Coop auch das Hausärztezentrum.

Bild: PD

«Der Lottosechser!» Sirnachs Gemeindepräsident Kurt Baumann reagierte im vergangenen Oktober euphorisch auf die Meldung, dass seine Gemeinde 2025 ein veritables Hausärztezentrum mit vier bis fünf Medizinerinnen und Medizinern erhalten wird. Und seine Euphorie ist verständlich. Leidet doch nicht nur Sirnach unter einem gravierenden Mangel an medizinischer Grundversorgung, sondern der ganze Bezirk.

0,3 Hausärzte hat der Hinterthurgau derzeit pro 1000 Einwohner, im Kanton Thurgau sind es 0,7. Ausreichend wäre eine Hausärztin oder ein Hausarzt je 1000 Menschen. «Vor allem von Neuzuzügern höre ich immer wieder, dass sie hier schlicht keinen Hausarzt finden», sagt denn auch Kurt Baumann. «Diese Menschen gehen dann viel eher in den Notfall in einem Spital, was aber aus gesundheitspolitischer Sicht nicht sinnvoll ist.»

Wegzug aus Bichelsee

Nun wird sich also die Versorgung für Sirnach und seine Nachbargemeinden verbessern. Hintergrund der Geschichte ist der 2016 überraschend verstorbene Bichelseer Hausarzt Christoph Kaufmann. Dieser hatte seine klassische Einzelpraxis «Rotes Haus» 1992 eröffnet. Seit seinem Tod leiten seine Witwe Christa Kaufmann als Verwaltungsratspräsidentin und sein Bruder Michael Kaufmann als Verwaltungsrat das Unternehmen, pensionierte Hausärzte stellen in Teilzeitpensen die gesundheitliche Grundversorgung der Bevölkerung von Bichelsee-Balterswil – und der Umgebung – sicher.

Christoph Kaufmanns Sohn Raphael hat ebenfalls Medizin studiert und 2017 sein Staatsexamen erlangt. 2023 macht er seinen Facharztabschluss und kann danach als Hausarzt arbeiten. Ebenso ist auch Raphaels Partnerin Lea Zollinger Ärztin. Die beiden werden mit zwei bis drei weiteren Ärztinnen und Ärzte und den bisherigen Bichelseer Praxisassistentinnen und Lernenden im künftigen Hausärztezentrum wirken. Indes nicht in Bichelsee, sondern in Sirnach, wo derzeit im Quartier Unterdorf die gleichnamige Gewerbe- und Wohnliegenschaft entsteht und wo die Mediziner ab Frühling 2025 unter dem Namen «Praxis Tannzapfenland» firmieren werden.

Mitten im Dorf, mit zwei Buslinien sowie dem Bahnhof in Fussdistanz und nicht zuletzt mit dem nahen Autobahnanschluss und einer eigenen Tiefgarage ist das «Unterdorf» geradezu ideal erschlossen auch für Auswärtige, was letztlich den Ausschlag gab für den Umzug von Bichelsee nach Sirnach. So sagte Verwaltungsrat Michael Kaufmann im Gespräch mit dieser Zeitung: «Wir mussten erkennen, dass einerseits die bisherige Einzelpraxis keine Zukunft hat, andererseits in Bichelsee das Potenzial für ein Ärztezentrum nicht vorhanden ist.»

Jahrelang Ärzte gesucht

«Einzelpraxen sind ein Auslaufmodell», ist auch Gemeindepräsident Kurt Baumann überzeugt. Man sei deshalb seitens Gemeinderat seit Jahren mit potenziellen Investoren im Gespräch. Solche zu finden, sei nie ein Problem gewesen – aber: «Man findet die Ärzte nicht!»

Nun haben die Ärzte eben Sirnach gefunden. Und hier sind sie «extrem willkommen», wie es Kurt Baumann formuliert. Entsprechend wohlwollend sei denn auch eine Anfrage für Unterstützung seitens der Kaufmanns im Gemeinderat diskutiert worden.

«Wir haben einstimmig beschlossen, der Praxis Tannzapfenland ein zinsloses Darlehen zu gewähren», sagt Kurt Baumann. Konkret handle es sich um just eine Million Franken und eine Laufzeit von zehn Jahren. Während das Darlehen für die Kreditnehmer zinslos ist, bezahlt Sirnach bei Postfinance 1,89 Prozent Zinsen. Auf die Laufzeit gerechnet sind dies 208'000 Franken oder 20'800 Franken pro Jahr. Angesichts des Sirnacher 35-Millionen-Budgets bestimmt ein verkraftbarer Betrag.