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Zentralschweiz
Auf dem Schienennetz der Zentralbahn herrscht derzeit der Ausnahmezustand. Aufgrund der Totalsperre zwischen Luzern und Alpnachstad sind seit Montag zahlreiche Bahnersatzbusse im Einsatz. Der verkehrstechnische Kraftakt gelingt scheinbar mühelos.
Montagmorgen früh am Bahnhof Hergiswil. Menschenleere Perrons und Züge prägen das Bild, das so selbst im beschaulichen Lopperdorf nicht zur morgendlichen Rushhour passen will.
Nur zwischen dem Kiosk und dem noch geschlossenen Bahnschalter drängen sich die Pendlerinnen und Pendler. Geduldig warten sie im Trockenen auf einen der zahlreichen Bahnersatzbusse, der sie von nun an einen Monat lang anstelle der Zentralbahn ans Ziel bringen wird.
Es ist ruhig. Das nasskalte Wetter lässt den einen oder andern frösteln. Manche reiben sich noch etwas schläfrig die Augen, tippen mit klammen Fingern auf dem Smartphone rum, einige klappen zügig den Mantelkragen hoch und stehen vom einen Bein aufs andere.
Auf der kleinen Bahnhofstrasse staut sich wegen der vielen Extrabusse bisweilen der Verkehr. Statt nach heissen Bremsklötzen riecht es nach Dieselabgasen.
Auch wenn sich die Pendlerinnen und Pendler auf längere Reisezeiten einstellen müssen – sie alle kommen trotzdem ans Ziel. Auch dank eines Einsatzleiters der Verkehrsbetriebe Luzern. Mit einem Kursbuch in den Händen kommt er auf die Menge zu und fragt: «Wohin müssen Sie?»
Ruhig und gelassen beantwortet der Mann die Fragen all jener, die nicht genau wissen, wann und wo ihr Bus nach Luzern, Stans oder Alpnachstad fährt. Viel zu tun gibt es für die anwesenden Auskunftspersonen der Zentralbahn, der Verkehrsbetriebe Luzern und der Auto AG Rothenburg offenbar nicht. Einige «Gelbwesten» halten ein Schwätzchen mit Arbeitskollegen und raten den Fahrgästen, sich mit einem heissen Kaffee warmzuhalten. Stress sieht anders aus.
Am ersten Tag des Ausnahmezustands zwischen Luzern und Alpnachstad scheint also alles gut zu funktionieren. Probleme seien bislang keine aufgetreten, versichert Buschauffeur Josef Küng von der Auto AG Rothenburg. Aber es habe ja auch genügend Busse im Einsatz. Stephan Friedli, der für die Zentralbahn vor Ort ist, bestätigt dies. «Im Moment läuft es nicht schlecht. Bis jetzt hatten wir noch keine ‹Chnörz›. Wir sind sehr gut vorbereitet und guten Mutes, dass in vier Wochen alle wieder mit dem Zug reisen können.» Für die Leute sei diese Situation im Moment halt aber schon etwas Neues.
Das gilt auch für René «Coal» Burrell. Der bekannte Musiker ist extra eine Viertelstunde früher aufgestanden als sonst, um rechtzeitig ans Ziel zu kommen. «Ich musste in Hergiswil einsteigen statt in Horw – und habe darum halt eine längere Strecke mit dem Velo zurückgelegt.»
Nicht alle Pendler haben sich vorweg auf die veränderten Bedingungen eingestellt. «Erfahrungsgemäss reagieren die Fahrgäste zum Teil noch etwas unsicher und haben Fragen», weiss Guido Jacupino, Zugbegleiter der Zentralbahn. «Da helfen wir den Leuten gerne, die richtigen Busse und Anschlüsse zu finden. Es gibt natürlich aber immer auch solche, die erst nach dem Antritt der Reise merken, dass sie etwas mehr Zeit hätten einplanen sollen.»
Alles in allem ist Jacupino beeindruckt, «wie gut das alles bis ins hinterste und letzte Detail geplant ist. Das ist ein enormer Aufwand.» Ziel sei, dass alle zufrieden zur Arbeit und wieder zurück nach Hause kommen und merken, «dass es gar nicht so schlimm und kompliziert ist, wie es anfänglich aussieht.»
Gemäss Thomas Keiser, Mediensprecher der Zentralbahn, ist der Bahnersatz am Montag «gut angelaufen». Es sei dennoch immer so, dass der erste Tag Verbesserungsmöglichkeiten aufzeige. «In Luzern etwa können wir die Kundenlenkung verbessern, also Pendlerinnen und Pendler vor Ort noch besser informieren und zu ihren Verbindungen leiten.» Man habe extra viele Gelenkbusse im Einsatz, da diese dank vieler Stehplätze mehr Kapazität hätten. «Für einige Kunden sei es deshalb eventuell ungewohnt, dass es verhältnismässig weniger Sitzplätze hat.»
Überschattet wurde der gelungene Auftakt des grossangelegten Bahnersatzes durch einen Arbeitsunfall beim Bahnhof Matt:
Die Baumaschine kippte beim Baggern mitsamt Schuttmulde aus dem Gleis und stürzte den Bahndamm hinunter. Ein Arbeiter, der sich in der Nähe aufhielt, wurde leicht verletzt, als er aus dem Gefahrenbereich sprang.