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Die Trinkwasser- und die Pestizidinitiative seien zu extrem, findet ein mit prominenten Köpfen besetztes Gegenkomitee. Nationalrätin Priska Wismer sagt, die Landwirtschaft habe sich ökologisch bereits stark bewegt.
Die Annahme der Trinkwasser- sowie der Pestizidinitiative am 13. Juni würde die Schweizer Landwirtschaft umkrempeln. Dass viel auf dem Spiel steht, zeigte sich am Montagmorgen an einer Medienkonferenz auf dem Ober-Grundhof in Emmen, den der ehemalige SVP-Kantonsrat Patrick Schmid bewirtschaftet. Prominente Köpfe aus der Luzerner Politik, Wirtschaft und Landwirtschaft sprachen sich für ein doppeltes Nein aus.
«Die beiden Initiativen sind zu extrem, deshalb lehnen sie unsere Bauernfamilien grossmehrheitlich ab», sagte Markus Kretz, Präsident des Luzerner Bäuerinnen und Bauernverband. An der Trinkwasserinitiative bemängelt der Schongauer Landwirt, dass der Futterverkauf unter Berufskollegen nicht mehr möglich wäre. «Vor allem Geflügel- und Schweinebetriebe brauchen grosse Flächen Ackerland, um das Futter für ihre Tiere selber zu produzieren. Das wäre nur für die wenigsten Bauernfamilien möglich.» Kretz gab zudem zu bedenken, dass es synthetische Pestizide gibt, die weniger schädlich seien als solche natürlichen Ursprungs.
«Es liegt in unserem ureigensten Interesse, die Grundlagen unserer Arbeit zu bewahren und eine nachhaltige Landwirtschaft zu betreiben», sagte Mitte-Nationalrätin Priska Wismer, die mit ihrer Familie in Rickenbach einen Hof bewirtschaftet. Praktisch alle 50'000 Landwirtschaftsbetriebe der Schweiz würden nach dem Standard des ökologischen Leistungsnachweises (ÖLN) arbeiten. «Knapp 19 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche dient der Förderung der Biodiversität, gefordert wären lediglich 7 Prozent.» Zudem habe sich der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der konventionellen Landwirtschaft seit 2008 um über 40 Prozent reduziert, jener von Antibiotika innert zehn Jahren halbiert.
Weil die Initiativen in der Bevölkerung aber ein Unbehagen aufnehmen, habe das eidgenössische Parlament eine alternative Lösung erarbeitet, sagte Wismer weiter. «Mit dem neuen Pestizidgesetz müssen die Risiken durch den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln für Gewässer, Trinkwasser und naturnahe Lebensräume bis 2027 um 50 Prozent sinken.» Die Bäuerinnen und Bauern seien im Bereich Ökologie bereits stark in Bewegung. «Es ist schade, dass das in der Öffentlichkeit nicht stärker wahrgenommen wird», so Wismer.
Damian Müller äusserte sich nicht nur als Luzerner FDP-Ständerat, sondern auch als Präsident der Vereinigung Schweizerischer Futtermittelfabrikanten. Diese Branche stehe zwar nicht so sehr im Vordergrund, sei aber speziell für die Viehwirtschaft von eminenter Bedeutung.
«Ich sage es klipp und klar: Die Trinkwasserinitiative, die betriebseigenes Futter vorschreiben will, ist der Tod des Futtermittelhandels in der Schweiz.»
Die Pestizidinitiative bezeichnete Müller als Eingriff in die Marktmechanismen, der das Angebot auf nachhaltige Produkte einschränken und damit das Essen massiv verteuern würde. «Folglich würden noch mehr Leute ins Ausland pilgern, um sich dort mit Fleisch und Gemüse einzudecken», sagte der Hitzkircher. Da nur noch Lebensmittel importiert werden dürften, die ohne Pestizideinsatz produziert werden, verstosse die Pestizidinitiative zudem gegen WTO-Verpflichtungen der Schweiz.
Während die nationale GLP die Trinkwasserinitiative befürwortet und bei der Pestizidinitiative Stimmfreigabe beschlossen hat, lehnt der Megger Gemeindepräsident und GLP-Kantonsrat Urs Brücker beide Vorlagen ab. Grund: «Intensiv wirtschaftende Betriebe werden aus dem ÖLN aussteigen und sich damit von einer möglichst umweltgerechten Landwirtschaft verabschieden. Das ist unsinnig und erweist den gutgemeinten Anliegen der Initiativen einen Bärendienst.»
Für den Biobetrieb von Angela Spiess im Römerswiler Ortsteil Herlisberg hätten die Initiativen «massive Auswirkungen».
«Es ist völlig unrealistisch, dass wir unsere rund 2000 Legehennen mit selbst produziertem Futter ernähren können, so wie es die Initiative verlangt.»
Dazu wären laut Spiess rund 80 bis 100 Hektaren Ackerland nötig, der Betrieb ist aber nur 17 Hektaren gross. «Wir liegen in der Hügelzone, das ist auch topografisch für uns unmöglich.» Die Folgen wären laut Spiess klar: «Die Eierproduktion in der Schweiz würde stark sinken, der Import aus grossen Industriehallen aus dem Ausland stark steigen.»
Für die Wirtschaft sei die Pestizidinitiative sehr problematisch, sagte Peter With, Präsident des KMU- und Gewerbeverband Kanton Luzern. «Die Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft stellt mehr als 300'000 Arbeitsplätze sicher. Davon wäre mehr als die Hälfte gefährdet.» Auch für die exportierende Verarbeitungsindustrie seien die Folgen der Importauflagen verheerend, so With.