Chaos im Fischerparadies: Viel Abfall, wildes Parkieren und eine zu grosse Anzahl Fischer am Lungerersee

Über 500 Leute haben Unwillen über Auswüchse des Lungerersee-Fischerparadieses geäussert. Nun verhandelt man über Lösungen.

Romano Cuonz
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«Die Lungerersee AG, bekannt als Fischerparadies, hat im Jahr 2019 einen Umsatz von rund 1,1 Millionen Franken erwirtschaftet und in den letzten fünf Jahren jeweils eine Dividende von fünf Prozent ausbezahlt», stellt der passionierte Sportfischer Willy Walker fest. Dass dieser touristische und volkswirtschaftliche Erfolg nicht zuletzt auch ihm und seiner jahrelangen, engagierten Mitarbeit im Verwaltungsrat zu verdanken ist, wird wohl kaum jemand in Frage stellen. Wenn nun Willy Walker sein Engagement fürs Fischerparadies trotzdem quittiert und den Verwaltungsrat verlassen hat, ist dies einer grossen Enttäuschung zuzuschreiben.

Willy Walker

Willy Walker

Bild: Romano Cuonz

Im Namen der Lungerersee AG darf er nun nicht mehr argumentieren. Aber auch als Privatperson bleibt für ihn vieles unverständlich. Etwa, dass gegen das Fischerparadies, wie er findet, «militant» Unterschriften gesammelt und als Petition an den Gemeinderat eingereicht wurden. Natürlich gebe es viele Angler und damit mehr Betrieb rund um den See, mehr Verkehr, mehr belegte Parkplätze und eben auch mehr Abfall, der entsorgt werden müsse, räumt er ein. «Aber», so Walker wörtlich, «man kann nicht den Fünfer und das Weggli haben!»

Zu wenig gemacht gegen negative Auswirkungen?

Noch grösser aber ist Walkers Frustration über das vorläufige Scheitern des Projekts für einen wind- und sturmsicheren, neuen Bootssteg in Kaiserstuhl (hinten), vorne ist der bisherige, nicht windsichere, Bootssteg zu sehen:

Bild: Romano Cuonz (Kaiserstuhl, 22. April 2020)

Dieses Bauvorhaben hatte er stets als notwendig erachtet und während Jahren als Projektleiter selber vorangetrieben. Vorerst erwogen das Obwaldner Amt für Raumentwicklung und Verkehr (ARV) und die Gemeinde Lungern eine Bewilligung mit Auflagen. Später wurde dann gegen das, seiner Ansicht nach durchdachte Projekt – mit bislang 70000 Franken Investitionen – von den Fischerfreunden (dem ursprünglichen Lungerersee Fischerverein) und vielen andern Personen Einsprache eingereicht. Dass darauf vom ARV eine Baubewilligung verweigert wurde, versteht Walker nicht. «Damit muss das Fischerparadies beim Fischbesatz wohl weiterhin Teile der Strasse nach Bürglen, das Trottoir und den Wanderweg sperren und die Fische wenig tiergerecht zweimal umladen, darunter mit einem Lift (siehe Bild), bevor sie im Wasser sind», moniert Walker.

Bild: Romano Cuonz (Kaiserstuhl, 22. April 2020)

Der Vorstand der Fischerfreunde verteidigt die Einsprache gegen das Bootsstegprojekt in einer schriftlichen Stellungnahme. Darin wird beteuert: «Im Wissen, dass über 500 Unterschriften einer Interessengemeinschaft gegen das Projekt der Lungerersee AG gesammelt worden sind, hat der Vorstand ein demokratisches Grundrecht wahrgenommen und Einsprache gegen dieses eingereicht.»

Vom Vorwurf einer «Missgunstpolitik» distanziert sich der Vorstand. Man habe das Fischerparadies seit seiner Gründung vor zehn Jahren tatkräftig unterstützt. Tatsache sei aber, dass man dort in den vergangenen Jahren nur wenig gegen die zunehmend negativen Auswirkungen des Betriebs unternommen habe. Es gebe mittlerweile eine zu grosse Anzahl Fischer und mit ihnen ein wildes Parkieren und auch viel Abfall um den See. Die negativen Folgen habe die Bevölkerung zu tragen.

Coronakrise verzögert Verhandlungen

Zum Bauvorhaben Bootssteg mit Liftanlage und Lastwagenplattform hält der Vorstand fest: «Wenn das kantonale ARV der Gemeinde Lungern mitgeteilt hat, dass für den Bau keine Bewilligung erteilt werden könne, war dieses wohl nicht gesetzeskonform.» Mit der Einsprache seien der Verein und weitere Personen demnach auf dem richtigen Weg gewesen.

In der Bucht rechts im Bild möchte das Fischerparadies einen neuen, sicheren Bootssteg bauen. Ganz links, beim Turm, ist der bisherige Bootssteg zu sehen.

In der Bucht rechts im Bild möchte das Fischerparadies einen neuen, sicheren Bootssteg bauen. Ganz links, beim Turm, ist der bisherige Bootssteg zu sehen.

Bild: Romano Cuonz (Kaiserstuhl, Mittwoch, 22. April 2020)

Auch der Fischerfreunde-Vorstand sei bereit, Hand zu bieten. Aber er hält fest: «Wir und alle, die die Petition unterschrieben haben, erwarten nun, dass die Lungerersee AG rasch konstruktive Vorschläge macht, wie die Probleme gelöst werden sollen.» Polemik sei im Vorfeld der Verhandlungen fehl am Platz.

Genau gleicher Meinung ist Monika Vogler-Hess, die Verwaltungsratspräsidentin der Lungerersee AG. In der momentan schwierigen Situation gelte es, sachlich zu bleiben, sagt sie. Und verspricht: «Wir sind bereit, mit allen Akteuren Gespräche zu führen und langfristig tragbare Lösungen zu erarbeiten.»

Am vergangenen Mittwoch fanden erste Gespräche in der Turnhalle statt. Der gewünschte «runde Tisch» jedoch müsse wegen der Coronakrise noch etwas verschoben werden. Die Präsidentin bleibt aber zuversichtlich. Denn sie weiss: «Das Fischerparadies Lungern (Lungerersee AG) besteht nun seit fast 10 Jahren und ist ursprünglich durch die Fischerfreunde initiiert und zusammen mit der Gemeinde als Hauptaktionärin und Lungern Tourismus gegründet worden.» Im Moment verkauft übrigens das Fischerparadies keine Tagespatente und für die Mitarbeiter gilt Kurzarbeit.

Gemeindepräsidentin plädiert für Korrektur

«Ich habe den Eindruck, dass die Petitionäre nicht alle einfach gegen das Fischerparadies opponieren», vermutet Lungerns Gemeindepräsidentin Bernadette Kaufmann-Durrer. Einige Einwohner litten aber unter den Schattenseiten des grossen Erfolgs. «Einerseits haben Naturschützer diese Petition unterstützt. Hundebesitzer sind auch dabei und Menschen, die ruhige Seewege schätzen und sich gestört fühlen», zählt sie auf. Sicher hätten sich auch Mitglieder der Fischerfreunde und Anwohner am See durch das ungeordnete Parkieren, das Littering und die vereinzelte Rücksichtslosigkeit von auswärtigen Besuchern gestört gefühlt. Kaufmanns Schluss daraus: «Der unbestrittene Erfolg des Fischerparadieses hat auch Schattenseiten, und diese müssen wir als Gemeinde beachten und zusammen mit der Lungerersee AG Korrekturen anbringen.» Es brauche nun schlicht einen Zwischenhalt, um über die Bücher zu gehen. «Am schwierigsten zu lösen, ist dabei die sehr unbefriedigende Parkplatz-Situation», weiss Kaufmann. Im Gewässerschutzraum rund um den See, in der Landschaftsschutzzone und im Naturschutzgebiet von nationaler Bedeutung sei es schwierig, die geforderten Parkplätze zu realisieren. Dennoch ist die Lungerer Gemeindepräsidentin hinsichtlich der Gespräche zuversichtlich: «Wir müssen das Problem lösen können», sagt sie. In der Tat: Seit dieser Woche arbeiten alle Parteien gemeinsam an einer befriedigenden Lösung.