Für viele zählt beim Hindernislauf Strongmanrun vor allem der Faktor Spass. Nicht so für Stefan Leuenberger (43): Er hat noch keinen einzigen Lauf verpasst und den Ehrgeiz, in der Rangliste ganz vorne mit dabei zu sein – gestern war er es auch.
Martin Uebelhart
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«Hero Moment» heisst das letzte Hindernis unmittelbar vor dem Ziel des Strongmanrun in Engelberg. Eine Wasserrutsche, die es zu erklimmen gilt. Der Huttwiler Stefan Leuenberger hat sie gerade eben gemeistert. Kaum im Ziel, liefert er noch einen Handstand nach. Er kann sich auch ein wenig als Held fühlen. 18 Kilometer und 40 Hindernisse liegen hinter ihm. «Es war toll», sagt er. Das Rennen sei ihm gut gelaufen. Etwas zu schaffen gemacht habe ihm die Hitze. «Aber das schöne Wetter motiviert natürlich auch», findet er. Für einen Läufer sei er relativ schwer, sagt Leuenberger. Daher hätten ihm die beiden Aufstiege – einer davon auf dem Auslauf der Sprungschanze – etwas zugesetzt. «Aber ich bin happy», fasst er den Lauf zusammen.
Dieses Jahr schafft es der 43-Jährige in der Einzelwertung der Männer auf Platz 26. Sein bestes Ergebnis erreichte er vor zwei Jahren mit Platz zehn. Im Team läuft es noch besser. Zu fünft sind sie unterwegs vom Turnverein Huttwil. Sie können die Leistung des vergangenen Jahres toppen. 2016 reichte es für Rang drei in der Teamwertung. Nun holen sie den Sieg dank dem achten und zehnten Rang von zweien seiner Kollegen.
Für Stefan Leuenberger ist der Strongmanrun ein «ernsthaftes» Rennen – auch wenn er sich neonfarbige Streifen auf Arme und Beine gemalt hat. «Das muss schon sein», sagt er. Für andere Teilnehmer steht jedoch das Vergnügen im Vordergrund. Im gut 7000-köpfigen Teilnehmerfeld sind die unterschiedlichsten Verkleidungen zu entdecken – es mutet fast ein wenig wie Fasnacht an. Sie rennen in Cowboy- oder Spider-Man-Kostümen oder der Einfachheit halber gleich nur in der Badehose. Unterwegs ist auch ein ganzes Ärzteteam in OP-Kluft, eine andere Gruppe hat gar einen Marterpfahl dabei. Das alles zum Gaudi der – laut Angaben der Organisatoren – über 23 000 Zuschauer, die sich im Start- und Zielraum auf dem Parkplatz der Titlisbahnen aufhalten oder einen Augenschein auf der Strecke nehmen. Vorzugsweise bei einem der spektakulären Hindernisse. Sie tragen Namen wie «Hurrikan», «Kleopatra-Bad», «Knochenmühle» oder «Schrottplatz».
Stefan Leuenberger freut sich über die Hindernisse. «Man kann natürlich die Frage nach dem Sinn stellen, aber ich finde es interessanter, als einfach nur geradeaus zu rennen», sagt er. Er hat alle Strongmanrun-Wettbewerbe in der Schweiz seit der Premiere 2010 absolviert. Nach drei Austragungen in Thun ist er jetzt zum fünften Mal in Engelberg dabei. «Das erste Rennen hier war ‹Peanuts›», erinnert er sich. «Dann haben die Organisatoren jedes Jahr einen draufgesetzt.» Die Hindernisse beginnen unmittelbar nach dem Start. Zuerst muss man Runde um Runde im «Schnäggehus» drehen, bis man so richtig aufdrehen kann – bis zum nächsten Hindernis.
Stefan Leuenberger ist auch beruflich mit dem Sport eng verbunden. Er leitet die Sportredaktion der Lokalzeitung «Unter-Emmentaler». Seine Motivation für Rennen wie den Strongmanrun in Engelberg sei es, sich unabhängig von der Disziplin mit 20 Jahre jüngeren Athleten zu messen. «In meinem Alter ist es zwar nicht mehr so einfach, an die Leistungen der Jungen heranzukommen. Doch nach jedem Wettkampf, in dem mir das gelingt, bin ich umso glücklicher.»
Sein Erfolgsrezept verrät der Vater zweier Töchter auch gleich: trainieren statt die Beine hochlagern. Und keinen Alkohol oder Tabak. Rund 1500 Wettkämpfe in den unterschiedlichsten Sportarten hat Leuenberger bis heute absolviert. Seit 25 Jahren ist er Leiter der Aktiven im Turnverein Huttwil. Stefan Leuenberger ist schon lange angekommen, als es gestern Abend auf den letzten Metern vor dem Ziel langsam etwas gedrängter wird. Man sieht den Sportlern die Strapazen an, das letzte Hindernis fordert sie noch einmal so richtig heraus.