Mitglieder der Dekanate und Katecheten beider Kantone diskutierten über eine Nachfolgelösung nach dem Rücktritt von Bischof Vitus Huonder. Vorherrschende Meinung: Nötig wäre im Bistum Chur ein Administrator, der vorerst aufräumt.
Romano Cuonz
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«Alle andern Bistümer in der Schweiz erhalten immer gute Bischöfe, nur im Bistum Chur ist die Bischofswahl seit langem eine Leidensgeschichte», brachte es Obwaldens Dekan Bernhard Willi auf den Punkt, als er an die 60 Mitglieder der Dekanate und die Katecheten der zwei Kantone zum 7. Dekanatsforum begrüsste. Damit war man mitten im brisanten Thema einer Diskussion, die Markus von Rotz, Redaktionsleiter unserer Zeitung, moderierte. Im Podium mit dabei: Abt Christian Meyer vom Kloster Engelberg, Martin Kopp, Generalvikar für die Urschweiz, Klaus Odermatt, Landeskirche Nidwalden, und vom Kirchgemeindeverband Obwalden Willi Schmidlin. Ausgangspunkt ist, dass Bischof Vitus Huonder am 21. April 75 Jahre alt wird und den Rücktritt einreichen muss.
Zu Beginn wollte von Rotz wissen: «Welches sind Erwartungen an Politiker, nachdem Bundesräte wie Flavio Cotti und Pascal Couchepin bei früheren Differenzen in Rom mit ihren Interventionen erwiesenermassen angehört worden sind?» Generalvikar Martin Kopp dazu: «Für Rom sind – wenn schon – Staaten und Regierungen Partner. Auf sie hört man mehr oder weniger.» Instanzen von Kantonalkirchen aber fänden kaum Gehör. «Insofern wären Staatspolitiker schon in eine Verantwortung zu rufen.» Abt Christian stiess ins gleiche Horn: «So wie jetzt kann es ohne Folgen fürs religiöse Miteinander nicht weitergehen. So gesehen braucht es gegenüber Rom eine klare Stellungnahme von höchster Ebene in unserem Land.» Klaus Odermatt gab zu bedenken, dass die rechtlichen Organisationen der Landeskirchen auch selber aktiv werden müssten. Willi Schmidlin prophezeite gar: «Die Politik wird sich wohl vorläufig zurückhalten, wenn bei der Wahl nicht eine absolute Katastrophe entsteht.»
Im Zentrum der Diskussion stand dann die Frage, ob eine Auszeit mit einem bischöflichen Administrator – wie er nach dem abgelehnten Bischof Wolfgang Haas in der Person von Amédée Grab eingesetzt wurde – etwas bringen könnte. Der Vorschlag dazu stammt von Generalvikar Martin Kopp. Aus Überzeugung: «Die Wahlbehörde in Chur ist tief gespalten, sodass eine Wahl a priori mit gewaltigen Risiken behaftet ist.» Die aktuelle Blockade könne seines Erachtens nur durch Intervention von aussen überwunden werden. Wörtlich meinte Kopp: «Ich sehe keine andere Möglichkeit als einen von Papst Franziskus eingesetzten Administrator, allerdings erst dann, wenn er und seine Mitarbeiter die Situation in Chur, ohne Einflussnahme der aktuellen Bistumsleitung, genau überprüfen können. Rom muss informiert sein und hinschauen können.»
Dass der Einsatz eines Administrators gar eine Alarmstufe bedeuten würde, stellten Schmidlin und Odermatt nicht in Abrede. Und doch wandte Schmidlin ein: «Bei einem Administrator stellt sich die Frage nach Person und Akzeptanz.» Er frage sich, ob man nicht auch das dubiose Vorgehen beim Erstellen der Dreierliste (aus der das Domkapitel dann einen Bischof wählen kann) beeinflussen könnte. Auch Klaus Odermatt äusserte zur Lösung mit einem Administrator noch den einen oder andern Zweifel. «Amédée Grab hatte es seinerzeit unterlassen, für den nötigen Wechsel im Domkapitel zu sorgen, deshalb konnte später Vitus Huonder nachrücken», gab er zu bedenken. Der Papst müsste schon jemanden einsetzen, der das Bistum wirklich befrieden könnte. Eine Gefahr bei einer direkten Bischofswahl sieht Abt Christian. «Wenn auf einer Dreierliste Martin Grichting stünde, würde er vom heutigen Domkapitel, das aus dem Dunstkreis von Bischof Haas stammt, automatisch gewählt», vermutete er.
«Wie gross ist die Chance, dass der Churer Generalvikar Martin Grichting gewählt wird, und was würde dies fürs Bistum bedeuten?», fragte der Gesprächsleiter nach. «Die Chance, dass dies passiert, ist relativ gering, und Grichting weiss, dass er als Bischof kein Volk mehr finden würde», meinte Klaus Odermatt. Abt Christian doppelte nach: «In einem solchen Fall würde der Graben unüberwindbar, und die Untergrundkirche würde sich noch mehr verwurzeln.» Andere Namen nennen wollte allerdings niemand. Odermatt begründete das so: «Wenn ich will, dass ein möglicher Kandidat ganz sicher nicht Bischof wird, muss ich nur seinen Namen öffentlich machen.» Alle Podiumsteilnehmer teilten einen Wunsch, den Martin Kopp so formulierte: «Der Wahlmodus ist ein Defizit, das wir in der Kirche haben und das in Rom aufrechterhalten wird. Wir warten und hoffen, dass der Papst diese Regeln ändern wird.»
Grosse Sorgen, Zweifel sowie Ratlosigkeit wurden spürbar, als die Leute im Saal zu Wort kamen. Brigitte Fischer-Züger (Mitarbeiterin beim Generalvikariat) wagte einen Lösungsansatz zu formulieren: «Die Obwaldner haben schon einen Brief an den Vatikan geschrieben. Müssten nicht alle Kantonalkirchen und Dekanate nach dem Motto ‹Steter Tropfen höhlt den Stein› nachziehen?» Ein Hoffnungsschimmer auch bei Kopp. «Wenn Papst Franziskus wirklich informiert wird über die Situation und sich ein Bild macht, wird er wohl handeln», sagte er.
Bistum Chur. «Ein zentralschweizerisches Bistum mit Luzern oder Zug an der Spitze ist im vorletzten Jahrhundert an internen Rivalitäten gescheitert», erklärte Professor Albert Gasser am 7. Dekanatsforum in Sarnen. Auch Verhandlungen von Uri, Ob- und Nidwalden mit Basel seien versandet. «Nun begannen das Churer Trauerspiel mit den Urkantonen und die fortdauernde Aggression Graubündens.»
Dies sei ein historischer Grund für die andauernde Bistumskrise. «Uri, Obwalden, Nidwalden, dazu Glarus und Zürich, blieben ohne jede Sympathie provisorisch bei Chur», sagt Gasser. Domkapitel und Bündner Behörden hätten diesen Gebieten nur willkürlich Domherren mit Stimmen bei der Bischofswahl zugestanden. Schmunzelnd erinnert sich der Professor an eine alte Aussage im Klerus: «Um Bischof von Chur zu werden, muss ein Kandidat Mann, katholisch und Bündner sein. Vom Ersten und Zweiten kann man ihn allenfalls dispensieren, aber nicht vom Dritten.»
Der Anti-Chur-Affekt in den Urkantonen dauerte an, und als der Vatikan 1948 das Bischofswahlrecht einschränkte, nahm er sich gleich das eher zerrüttete Bistum Chur vor. Von da an habe das Domkapitel nur noch aus einem Dreiervorschlag des Papstes wählen dürfen. Das Bündner Monopol auf den Bischofssitz sei gebrochen gewesen, in den «Ländere» gar eine Spur von Schadenfreude aufgekommen. Jedoch habe die tiefe römische Verachtung, was Mitbestimmung betreffe, zu den problematischen Bischofswahlen geführt. Gasser zieht folgendes
Fazit: «Mit Blick auf die demnächst erfolgende Vakanz in Chur bemüht man sich, den schlimmsten Schaden abzuwenden, ohne eine grundsätzlich neue, transparente Form des Wahlverfahrens mit Priesterrat, Rat der Laientheologen und Diakonen zu fordern.» So werde vieles blockiert. (cuo)