Das grosse Hochwasserschutzprojekt im Sarneraatal lenkt davon ab, dass auch das Dorf Alpnach akut gefährdet ist. Seit 20 Jahren wird an einem Projekt für die Kleine Schliere gearbeitet. Nach Zusatzschlaufen soll es nun endlich vorwärtsgehen.
Fast 90 Kubikmeter Wasser – 630 volle Badewannen – pro Sekunde flossen beim Jahrhundert-Hochwasser im August 2005 durch die Kleine Schliere in Alpnach. Mehr erträgt sie nicht, vor allem nicht noch zusätzlich Geschiebe und Gehölz wie damals. Das hatte man schon früher erkannt: 1998 bewilligten die Anstösser (Wuhrgenossenschaft Kleine Schliere) 95000 Franken für die Planung eines Integralprojekts und 2003 für ein Gesamtkonzept über 13 Millionen Franken. Die Gemeinde und der Kanton zogen nach.
Die Prognosen für einen Baubeginn mussten aber mehrmals revidiert werden. Aufgrund kritischer Rückmeldungen gingen Gemeinde und Planer über die Bücher. Erste Modellversuche an der Universität Innsbruck und der Versuchsanstalt für Wasserbau (VAW) der ETH Zürich endeten ernüchternd. Die bisherigen Ziele waren mit dem Projekt nicht erreichbar. Diese sind: Maximal 100 Kubikmeter Wasser im Schliere-Kanal pro Sekunde, genug Platz für Geschiebe in der Kleinen Schliere, Zurückbehalten des Schwemmholzes im Bereich Chlewigen (alter Schiessstand oberhalb des Dorfs) und Ableiten von 40 Kubikmetern Wasser im Entlastungskorridor.
Ein Modell im Massstab 1:32 von der VAW in Zürich brachte im Juni 2015 den Durchbruch. Es gelang, «den Hochwasserfall realitätsgetreu zu simulieren und die Wirkungsweise der einzelnen Massnahmen aufzuzeigen», wie der Gemeinderat nach einem Besuch in Zürich schrieb. Nun wurden die Planungsarbeiten wieder aufgenommen. Inzwischen weiss der verantwortliche Gesamtprojektleiter Seppi Berwert, wie es weitergehen soll. Er hat kürzlich an einer Informationsveranstaltung das weitere Vorgehen aufgezeigt.
Die Kleine Schliere mit einem Einzugsgebiet von 22 Quadratkilometern «ist ein Hotspot, wie es die inzwischen sanierte Kleine Melchaa in Giswil ist», sagt Berwert. Nicht untypisch fürs Sarneraatal: «Sämtliche Siedlungen beziehungsweise Dörfer stehen auf den Schwemmkegeln von Wildbächen.» Entsprechend gebe es trotz umfassender Massnahmen noch viele gefährdete Gebiete. «Die Bäche wurden für eine gewisse Ereignisgrössenordnung verbaut, seit den Unwettern in Uri (1987), Brig (1993), Sachseln (1997) und der Zentralschweiz (2005) mussten wir zur Kenntnis nehmen, dass diese Systeme bei einer Überlastung kollabieren können, was sehr grosse Schäden zur Folge hätte.»
Die Erkenntnis aus Unwettern und Modellversuchen ist laut Berwert, dass man einen Teil des Schwemmholzes durch den Kanal der Schliere lässt, Brücken anpasst oder ersetzt wie den Steg im Bereich des Schulhauses. Und vor allem sei es wichtig, überschüssiges Wasser ausserhalb der Schliere im sogenannten Überlastfall-Korridor (siehe Grafik) gezielt Richtung Alpnachersee zu führen. «Alle Grossereignisse zeigten, dass dieser Überlastfall geregelt werden muss, damit die Schäden gesamtwirtschaftlich begrenzbar bleiben», sagte Berwert am Infoanlass. Man plane keinen neuen Bach, sondern Geländeanpassungen, welche die Bauern weiterhin bewirtschaften können, und Leitmauern im Siedlungsgebiet.
Gegenüber einem ersten Projekt passt sich der Überlastkorridor stark an jenen Weg an, den das Wasser von sich aus nehmen würde (siehe Bild). Neue Gewässerschutzvorschriften liessen heute einen Kanal wie die Kleine Schliere gar nicht mehr zu, sagt Berwert. «Aber wir werden diesen Kanal verteidigen.» Die Alternative wäre, die Kleine Schliere mindestens zweieinhalb Mal breiter zu machen. «Das ist heute aber nicht mehr realisierbar.» Dem stünden gewachsene Siedlungen mit Strassen und vielen Werkleitungen im Wege.
Auch wenn schon vieles ausgebessert wurde, braucht es bis zum Alpnachersee noch Ausbesserungen an teils bis zu 120 Jahre alten Sperren, Uferbefestigungen, ökologische Aufwertungen und Anpassungen an der Seemündung. Ob das 2003 bewilligte Geld genügt, sei heute nicht zu beantworten. Auf jeden Fall bleiben die Beschlüsse gültig, denn mit der Auflösung der Wuhrgenossenschaft habe die Gemeinde auch deren Rechte und Pflichten übernommen, sagt Berwert. Allfällige Mehrkosten kämen 2018 zur Abstimmung – 20 Jahre nach dem ersten Beschluss. Frühestmöglicher Baubeginn ist 2020.
Markus von Rotzmarkus.vonrotz@obwaldnerzeitung.ch