Obwaldens Griff nach den Sternen

Max Braun gründete vor fast 100 Jahren ein Familienunternehmen, das seit 1961 in Obwalden als Maxon Motor AG Hightech-Motoren für Marsmobile herstellt. Andreas Anderhalden erzählt die spannende Geschichte.

Romano Cuonz
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Autor Andreas Anderhalden präsentiert die neue Firmengeschichte vor dem Maxon-Hauptsitz in Sachseln. (Bild: Romano Cuonz (Sachseln, 2. November 2018))

Autor Andreas Anderhalden präsentiert die neue Firmengeschichte vor dem Maxon-Hauptsitz in Sachseln. (Bild: Romano Cuonz (Sachseln, 2. November 2018))

Wenn man das neue Buch «Vom Erdkern zum Mars – Die Geschichte der maxon motor ag Sachseln» aufschlägt, stechen einem gleich auf den ersten Seiten zwei Bilder in die Augen. Auf dem einen steht, vor dem wüstenähnlichen Hintergrund einer Marslandschaft, farbig und utopisch anmutend, der Mars-Rover «Spirit» aus dem Jahr 2003. Auf dem andern – aus dem Jahre 1941 – sieht man Ingenieur Max Braun und neben ihm die von Hand und schwarz-weiss angefertigte Skizze eines ersten Rasierapparats. Bilder, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten.

Und doch gehören sie zusammen. Warum dies so ist, und welche Rolle dabei das Obwaldner Dorf Sachseln spielt, erfährt man aus Anderhaldens Firmenchronik: spannend erzählt und anhand zahlreicher Bilder.

Grosser Glücksfall für Obwalden

Drehen wir mit dem Autor das Rad der Firmengeschichte zurück: Max Braun wird 1890 als Sohn einer einfachen Bauernfamilie am Kurischen Haff geboren. Als er 1951 in Frankfurt im Alter von 61 Jahren stirbt, gilt er als genialer Erfinder. Zuerst hat er, mittels Metallklammern, eine dauerhaft funktionierende Verbindung für die damals absolut unabdingbaren Treibriemen aus Büffelleder erfunden.

Nach dem grossen Starterfolg kann nichts mehr diesen genialen Geist aufhalten. Nacheinander entstehen etwa Radiogeräte samt Plattenspieler, eine batterielose Dynamo-Taschenlampe und auch die Skizze für den ersten Trockenrasierapparat. Nach seinem Tod übernehmen die beiden Söhne, Arthur und Erwin die väterliche Firma. Arthur – der Techniker – entwickelt den Motor für das Rasiergerät. Erwin als klug abwägender Kaufmann sorgt – jeder damaligen Skepsis trotzend – für den Vertrieb.

Als die beiden Braun Brüder 1961 in die Schweiz kommen wollen, gibt es viele Angebote. Dass sie als Standort für ihre damalige «Interelectric AG» gerade Obwalden auswählen, ist – was die Nachfolge-Weltfirma Maxon Motor AG mehr als beweist – ein Glücksfall. Ganz offensichtlich für beide Seiten.

Max Braun mit des Skizze des Rasierapparats. (Bild: PD)

Max Braun mit des Skizze des Rasierapparats. (Bild: PD)

Zukunft gilt nie als Gegenwind

Einer der Leitsprüche von Jürgen Mayer – jenes Mannes, der in diesem Unternehmen die Fäden wohl am längsten zog und auch weiterhin ziehen will – lautet: «Wer die Zukunft als Gegenwind empfindet, geht in die falsche Richtung.» Wie die Firma mit ihren vorausdenkenden Führungskräften und Mitarbeitern stets die Zukunft vor Augen hat, zeigt Autor Anderhalden sehr eindrücklich. Einmal mehr gelingt es ihm, Geschichte und mit ihr auch ihre Geschichtchen aufleben zu lassen. Als literarischer Chronist durchsucht er Archive.

Noch wichtiger diesmal: Er ist auch ein guter Zuhörer. Indem er über die Gespräche berichtet, stellt er seinen Lesern all die Pioniere vor. Männer, die in Sachseln wortwörtlich nach den Sternen gegriffen haben. Zu Wort kommt etwa Karl Walter Braun, das Urgestein der Firma und bis heute ihr unternehmerisches Gewissen.

Aber auch Albert Greutert, der frühe umsichtige Direktor und seine geradezu pfiffigen Ingenieure der ersten Stunde: Bodo Fütterer und Hugo Fritschy. Und natürlich erfährt man auch, wie der Bayer Jürgen Mayer dieser Firma über all die Jahre vorangeht: als Kommunikator und Ideengeber. Kometenhaft aufsteigend. Vom Konstrukteur zum Verkaufsleiter und vom Direktor zum Präsidenten des Verwaltungsrats. Zuversichtlich und wagemutig, auch bei zeitweiligen Rückschlägen. Auf seinen Lippen stets die Maxime «Handeln statt Reden».

Massgeblich beteiligt an der NASA-Marsmission

Wer im 190-seitigen Buch nicht nur die Bilder anschaut, vernimmt Erstaunliches über die Vorzeigefirma. Etwa, wie sie mit ihren leistungsstarken, kleinen Motoren massgeblich an der Marsmission der NASA beteiligt ist. Und weltbekannt wird. Jedoch: Das ist nur ein Erfolg unter vielen.

Andreas Anderhalden berichtet auch detailliert und stets gut lesbar über zahllose weitere Produkte, die in Sachseln entwickelt, patentiert und weltweit von 2500 Mitarbeitern hergestellt werden. Im medizinischen Bereich. Für Hightech, Freizeit und Sport. Und – dies kommentiert selbst der Arzt Anderhalden voll Bewunderung: «Diese Firma, die niemals Geld vom Staat verlangt hat, zeichnet sich durch aussergewöhnliches soziales Engagement aus: mit ihrer vorbildlichen Betriebskultur. Aber auch mit einer ersten eigenen Kinderkrippe.»

Andreas Anderhalden «Vom Erdkern zum Mars – Die Geschichte der Maxon Motor AG, Sachseln». 192 Seiten und reich illustriert. 50 Franken. ISBN 938-3-03727-074-5