Obwaldner Musiker in Coronazeiten : «Ich vermisse den Orchesterklang»

Nicht die Konzertbühne, sondern das Familienleben mit Hausmusik steht bei Familie Abächerli nun im Mittelpunkt.

Primus Camenzind
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Florian Abächerli, Solohornist im Luzerner Sinfonieorchester und seine Frau Laura Abächerli Müller-Crepon, unter anderem Violinistin im 21st Century Orchestra.

Florian Abächerli, Solohornist im Luzerner Sinfonieorchester und seine Frau Laura Abächerli Müller-Crepon, unter anderem Violinistin im 21st Century Orchestra.

Bild: Primus Camenzind (Sarnen, 23. April 2020)

Einmal mehr ist ein überaus sonniger Tag angesagt. Florian Abächerli, Solohornist im Luzerner Sinfonieorchester, kehrt von einem Waldlauf zurück, geht unter die Dusche und setzt sich anschliessend zu seiner Ehefrau Laura Abächerli Müller-Crepon an den Gartentisch vor dem Mehrfamilienhaus in Sarnen. Auch sie ist von Beruf Musikerin. Die beiden Buben Aaron (4) und Valentin (2) vervollständigen die Familie. Sie tummeln sich auf dem Spielplatz nebenan und geben ihren Eltern die Gelegenheit, mit unserer Zeitung über die ungewohnten Wochen und Monate ohne Proben und Konzerte zu reden.

Unterschiedliche Voraussetzungen

«Für mich als Orchestermusiker ist die Lage vor allem in künstlerischer Hinsicht dramatisch», sagt Florian und bezieht sich damit auf die Wortwahl des Orchesterintendanten Numa Bischof (Ausgabe vom 21. April). «Er beurteilte die Betriebsunterbrechung als Unternehmer in einem grossen Kulturbetrieb ganzheitlich», präzisiert Abächerli. «Ich persönlich vermisse den Orchesterklang, die Konzertbühne und das Publikum.»

Laura geniesst zurzeit mehr Flexibilität zwischen Beruf und Familie, weil Florian zu Hause ist. Als freischaffende Geigerin im «21st Century Orchestra» hat sie sich auf zwei Projekte mit sieben Konzerten besonders gefreut. «Diese sind jetzt auf Monate hinaus abgesagt oder bestenfalls verschoben. Schade, denn seit langem hätte ich wieder mit Florian zusammenspielen können. Er wirkt nämlich auch im «21st» als Solohornist mit.» Laura schätzt es hingegen, weiterhin an den Musikschulen unterrichten zu können. «Fast alle meiner rund 20 Schülerinnen und Schüler kann ich online im Fernunterricht betreuen.»

Das verschollene Orchester in den Netzwerken

Spitzensportler müssen sich auch in Zeiten ohne Wettkämpfe fast täglich fit halten. Das gilt genauso für Musiker in Spitzenorchestern. «Ich fühlte mich in den ersten zwei, drei Wochen des Betriebsunterbruchs allerdings ähnlich wie in den Ferien.» Seither übt Florian wieder täglich und intensiv, «denn wenn es mit dem Orchester irgendwann wieder losgeht, will ich nicht meiner Form hinterherlaufen», betont der Solohornist des renommierten Klangkörpers. Die Orchestermitglieder sind angehalten, sich beim Musizieren selber aufzunehmen und in Ton und Bild online zu stellen. Florian hat sich inzwischen in diese Aufnahmetechnik eingelesen und das notwendige Equipment besorgt. Unter dem Titel «Das verschollene Orchester» erscheinen inzwischen in den sozialen Netzwerken bereits zahlreiche gelungene Beiträge von Kolleginnen und Kollegen.

«Ich übe derzeit etwas weniger als vorher», erklärt uns Laura. Immerhin: «Während rund zwei Stunden bleibe ich jeweils am Vormittag richtig dran.» Ihr Mann übt am Nachmittag. Hin und wieder stellen allerdings die beiden Buben die Konzentration der Eltern auf die Probe, «zum Beispiel, wenn Aaron mit seiner Trommel durch die Wohnung marschiert», sagt Florian. Improvisierte Hausmusik mit den Buben ist fast täglich angesagt. Dazu stehen und liegen Schlaginstrumente, ein Alphorn, ein Waldhorn, eine Kindertrompete, eine Violine und ein Klavier bereit. «Für die grosse Bühne reichen diese spontanen Improvisationen allerdings noch nicht», schmunzelt Florian.

Optimismus, Zuversicht und Humor

Das «Luzerner Sinfonieorchester» ist in den letzten Jahren häufig und in aller Welt auf Tournee. «Diese Reisen in ferne Länder vermisse ich im Moment nicht», gibt Florian Abächerli unumwunden zu. Er erwähnt eine Ausnahme: «Wir wären gegenwärtig mit der weltberühmten Pianistin Martha Argerich in Spanien unterwegs gewesen. Dass diese tolle Tournee nicht stattfinden kann, bedaure ich schon sehr.» Abächerlis sind stattdessen häufig in der freien Natur unterwegs oder sie unterhalten sich per Skype mit den Grosseltern von Aaron und Valentin. «Das gibt dann ab und zu einige Tränen», erklären Laura und Florian einstimmig. Optimismus und Zuversicht begleiten die Familie durch diese aussergewöhnliche Zeit. Auch Humor ist dabei: «Ich rechne voll damit, dass ich im Herbst wieder auf die Jagd gehen kann», meint der Hornist. Social Distancing sei garantiert. «Wenn nämlich zwei Jäger am gleichen Ort auf der Lauer sind, ist eh einer zuviel!»