SACHSELN: Den Traum vom eigenen Beizli erfüllt – trotz Krankheit

Heidi Moser feiert auf ihre eigene Art Muttertag. Sie führt das Badibeizli am See – und lässt sich auch von einer schlimmen Diagnose nicht aus der Bahn werfen.

Marion Wannemacher
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Im vergangenen Herbst kam die Diagnose Brustkrebs: Heidi Moser in ihrem Reich, dem Badibeizli in Sachseln am Sarnersee. (Bild Corinne Glanzmann)

Im vergangenen Herbst kam die Diagnose Brustkrebs: Heidi Moser in ihrem Reich, dem Badibeizli in Sachseln am Sarnersee. (Bild Corinne Glanzmann)

«Hier kommt nächstes Jahr der Steg hin, dann laufen die Badegäste nicht mehr durchs Restaurant», sagt Heidi Moser (55). Schön ist er geworden, der neue Strand mit dem Ufer aus frisch gesetzten Steinen. Bei unserem Besuch ist es noch kühl. Marcel Moser (53) stellt einen Cappuccino mit Herz auf dem Schaum vor seine Frau. In der zweiten Saison führt das Ehepaar aus Alpnach nun das Badibeizli Sachseln. Einen Jahrhundertsommer mit Arbeitstagen von 15 Stunden hatten sie im vergangenen Jahr. Beschwert haben sie sich nie. Der Ort am Wasser liegt Heidi Moser am Herzen: «Schliesslich bin ich am Murten- und am Bielersee aufgewachsen.»

Diagnose Brustkrebs

Vergangenen 2. Oktober, kurz nach der Badesaison, erhielt Heidi Moser die Diagnose Brustkrebs. «So, jetzt bist du krank, da musst du durch», sei ihre erste Reaktion gewesen. Marcel war gerade allein auf einer Töfftour mit seiner Harley. «Man realisiert das erst nach und nach», erzählt er.

Ein Jahr zuvor, 2014, hatte er seine Stelle als Portfoliomanager im Immobilienbereich bei den SBB gekündigt. Er wollte frei sein für neue Pläne – auch mit seiner Frau. Zudem hatte er im April 2014 für den Gemeinderat Alpnach kandidiert. Bei den Erneuerungswahlen dieses Jahr machte er gar das beste Ergebnis. «Nein, nicht jetzt», sei sein erster Gedanke gewesen. Er habe schon früh im Leben auf die Zukunft hingearbeitet, sagt er – «und dann kommt deine Frau mit dieser Hiobsbotschaft», vollendet Heidi Moser den Satz.

«Klar, es ist immer der falsche Zeitpunkt», sagt Marcel Moser weiter. Aber es sei für seine Frau zu früh, um zurückzuschauen und zu sagen: «Ich hab alles erreicht, ich kann gehen.» Sie ihrerseits sagt, sie habe für sich folgende Devise gewählt: «Doch, das packst du jetzt an, und wenn nicht, dann ist es halt so, dann machst du das Beste daraus.»

Schwierig war für die vierfache Mutter, den Kindern Fabienne (20), Carole (23), Angelika (27) und Patrik (29) ihre Diagnose mitteilen zu müssen. Aber Heidi Moser hat gelernt, zu ihrer Krankheit zu stehen und mit ihr zu leben. Während der ersten Chemotherapie liess sie sich von ihrem Mann die Haare rasieren. Eine Perücke kam für sie nie in Frage. Mittlerweile sei ihrem Beispiel eine andere Betroffene gefolgt, mit der sie Kontakt über Facebook hat. «Sie geht jetzt auch ohne Perücke unter die Leute», erzählt Heidi Moser und betont gleichzeitig: «Das muss jeder für sich entscheiden.»

«Sensibler fürs Leiden der anderen»

Was hat sich durch die Krankheit verändert? «Du lebst intensiver», sagt die 55-Jährige. «Du wirst dir bewusst, wie schön das Leben ist und wie viele Leute unzufrieden sind. Und du wirst sensibler für das Leid der anderen, die du im Spital kennen lernst.» Viele positive Reaktionen erlebt Heidi Moser auch aus ihrem persönlichem Umfeld. Viele schreiben Karten und Briefe, schicken Blumen. «Du erhältst ein Feedback von Menschen, von denen du es nie erwartet hättest», sagt sie. Aber auch das Gegenteil treffe ein – einige Bekannte würden sich auch zurückziehen.

Heidi Moser ist vernetzt in ihrer Umgebung. Sie ist Präsidentin des Basketballvereins Sarnen und Turnlehrerin für Kinder und Senioren. Ebenso arbeitet sie beim Mittagstisch der Schule Sachseln. Auf die Frage, wie es ihr gehe, sage sie immer: «Mir tipptop, nur meinem Körper nicht.» Vielleicht habe sie sich auch deshalb abgrenzen können, «weil ich die medizinischen Fachausdrücke, die Gespräche mit den Ärzten ihm überlassen konnte», sagt Heidi Moser und zeigt auf ihren Mann Marcel.

Er erzählt von den Aufs und Abs nach der Operation. Von den zwei Chemos, der noch ausstehenden Bestrahlung, der erst begonnenen Hormontherapie. Ein schlimmer Moment war der Verdacht der Ärzte, es gebe Metastasen im Beckenknochen. «Dann wäre es nur noch um Palliativbehandlung, nicht mehr um Heilung gegangen», sagt Marcel Moser. Der Verdacht bestätigte sich zum Glück nicht.

«Ich mache, was mir guttut»

Doch die Krankheit zehrt: Sie sei schneller müde, sagt Heidi Moser. Sie friert schneller, hat als Nebenwirkung der Chemo Taubheitsgefühle in Beinen und Füssen, und wenn sie sich überfordert, schmerzt es überall. Doch auch damit lernt man umzugehen. «Ich mach einfach, was mir guttut.» Draussen sein in der Natur etwa oder das gemeinsame Badibeizli führen. Die Badegäste ihrerseits danken es ihr. Auch Vereine und Wandergruppen nutzen das Angebot in der Badi gern. «Ein Stammgast sagt uns immer, das sei der schönste Platz der Welt. Ein Italiener findet, es sei wie am Comersee.» Ums Geld geht es ihnen nicht: Ein Steak kostet 18 Franken, Fischknusperli 15 Franken. Reich würden sie nicht. Unterstützung findet das Ehepaar bei seinen Kindern. Zur Badieröffnung vor einer Woche waren alle da. Die eine Tochter, die selbst nicht konnte, hat ihren Freund geschickt. «Wir gehen viel vorbei, wenn wir freihaben», sagt Tochter Carole. «Im Juni hab ich mir Ferien genommen, da werde ich helfen. Im Badi­beizli sind alle wie eine grosse Familie.»

Von Listen, was man im Leben alles abhaken müsse, hält Heidi Moser nicht viel. «Das würde ja bedeuten, dass ich nicht richtig gelebt hätte. Ich bin einfach zufrieden, fertig, Schluss.»

Marion Wannemacher