Sarnen
Herzhaft lachen und ein bisschen nachdenken: Künstlerpaar lässt Robin Hood in der Gegenwart aufleben

Gilbert & Oleg bieten im Königreich Robin Hoods alles, was man von Gauklern erwartet: Witz, Zauberkünste, Musik und Balladen.

Romano Cuonz
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Die beiden Komiker Gilbert & Oleg (von rechts) hatten in Sarnen Premiere mit ihrem neuen Stück «Robin Hood».

Die beiden Komiker Gilbert & Oleg (von rechts) hatten in Sarnen Premiere mit ihrem neuen Stück «Robin Hood».

Bild: Romano Cuonz (Sarnen, 7. Juli 2021)

Sie waren im dunkeln Mittelalter ein Lichtblick: Gaukler, unterwegs mit Pferd und Wagen, die auf öffentlichen Plätzen, Jahrmärkten oder bei Festen mit ihren Vorführungen das gemeine Volk prächtig unterhielten und ihm dabei auch ganz schön das Geld aus den Taschen zogen. Die Palette ihrer Künste war riesig: Artisten waren sie, Zauberer, Clowns, Possenreisser oder auch Tieraussteller. Andreas Vettiger und Dominik Rentsch aus dem jurassischen Courtelary nehmen als Gilbert & Oleg diese alte Tradition wieder auf. Und wie! Allein ihr Theater auf Rädern samt Pizzeria und Trinkbar, mit dem sie sich den Namen «Fahrieté» redlich verdienen, ist ein Besuch wert. Dass davor, statt Pferde, ein Riesentraktor steht, nimmt einem die Illusion nicht. Dies, zumal Gilbert und Oleg in mittelalterlichen Kostümen das Publikum auf höchst witzige Art persönlich in Empfang nehmen, jedem und jeder im luftigen Zelt die Plätze anweisen. Gaukler eben.

Auf eine Gauklertruppe massgeschneidert ist auch die Figur, die sie Zuschauerinnen und Zuschauern einen Abend lang in hundert Variationen beliebt machen: Robin Hood, ein Held im Mittelpunkt spätmittelalterlicher englischer Balladen. Seine Geschichte wurde von fahrenden Künstlern fortwährend umgedichtet und weiterentwickelt. Später diente dieser König der Diebe, der habgierige Adlige und Geistliche ausraubte und das Geld unter Bedürftigen verteilte, Dichtern und Filmregisseuren als Vorlage für abendfüllende Werke.

Alter Held erhält neuen Schliff

Robin Hood, neu interpretiert von den beiden Künstlern Andreas Vettiger und Dominik Rentsch.

Robin Hood, neu interpretiert von den beiden Künstlern Andreas Vettiger und Dominik Rentsch.

Bild: Romano Cuonz (Sarnen, 7. Juli 2021)

Gilbert & Oleg verbünden sich mit dem Bogenschützen Robin Hood auf ihre ganz eigene Weise. Sie lassen ihn mitten in der Coronakrise auftreten und dabei unentwegt aus dem Mittelalter in die Gegenwart switchen. Und so begehrt denn Oleg alias Robin Hood schon auch einmal gegen neue Unterdrücker namens Alain Berset oder Ueli Maurer auf. Und wenn dann das Publikum schallend lacht, erteilt ihm Gilbert als Balladensänger einen Verweis nach dem andern. Doch Oleg ist dafür taub. Entschuldigt sich Mal für Mal mit der Ausrede: «War ja nur ein Witz!» Was hätte Robin Hood im 21. Jahrhundert zu tun? – das ist hier und an diesem Abend die Frage. Eine schlüssige Antwort gibt’s zwar nicht. Dafür Hunderte Gags und Kunststücke.

Neben Robin Hood spielen Gilbert und Oleg – genau wie zuvor schon im «Wilhelm Tell» – Figur um Figur. Oft auf unglaublich köstliche Weise: Etwa wenn der stets clowneske Oleg die Liebenden Robin Hood und Marian, hälftig als Mann und Frau gekleidet, selber spielt und in einen haarsträubend ulkigen Dialog verwickelt. Oder wenn der meist vergeblich um ein gewisses Mass an Anstand bemühte Balladensänger Gilbert doch plötzlich in die Rolle des ungerechten und zynischen Despoten schlüpft. Dabei hochtrabend zu (nicht allzu ernstzunehmenden) philosophischen Exkursen ansetzt. Die Geschichte, die die Beiden in zig bunten Szenen mit ständigem Gezänk und oft auch unter akrobatischen Verrenkungen erzählen, ist urkomisch. Ein alter Held erhält einen neuen Schliff. Echt gauklerhaft eben.

Die Bühne samt Requisiten bauen Gilbert & Oleg live und fortwährend selber auf und wieder um. Immer wieder verblüffen die beiden Künstler das Publikum auch mit Zaubertricks. Da wechseln Goldklumpen auf magische Weise ihren Platz und Besitzer. Dort verschwindet Oleg hinter einem Vorhang und taucht anderswo plötzlich wieder auf. Gilbert zaubert Spielkarten trügerisch hin und her, bis es den Zuschauern dabei schwindlig wird. Ab und an nimmt dann das meist witzige Spiel der beiden doch einen Hauch von Ernsthaftigkeit – und vor allem Poesie – an: Immer dann, wenn Oleg zur Blockflöte und Gilbert zur Mandoline greifen und musizierend und singend ihre Balladen zum Besten geben. Darin schimmert dann auf, was die Gaukler in ihrem «Königreich der Herzen» erreichen möchten: Gerechtigkeit, Freiheit und eine in der heutigen Zeit notwendige Stärkung der Immunität!

Immer wieder griffen Oleg (Blockflöte) und Gilbert (Mandoline) zu ihren Instrumenten.

Immer wieder griffen Oleg (Blockflöte) und Gilbert (Mandoline) zu ihren Instrumenten.

Bild: Romano Cuonz (Sarnen, 7. Juli 2021)

Andreas Vettiger und Dominik Rentsch haben ihr neues Stück «Robin Hood – The Great Resist» in Sarnen zum ersten Mal vor Publikum gespielt. Obwalden kam da zur Uraufführung eines Stücks, das die beiden während der Coronapause entwickelt haben. Ein sehr amüsantes, mit vielen Kunstsparten gespicktes Stück ist es. Da und dort wollen die beiden vielleicht doch etwas gar viel, noch gibt es die eine oder andere Länge, bei der der Spannungsbogen reisst. Man könnte sich gut vorstellen, dass die beiden Komiker ihren Robin Hood im Verlauf der geplanten Berner Tournee von Köniz bis Langnau oder Burgdorf noch etwas raffen werden.

Gilbert & Oleg gastieren noch bis zum 11. Juli im Seefeld Sarnen. Weitere Aufführungen im Theater auf Rädern: 10. Juli, 20.00 Uhr, «Illusion oder Wirklichkeit?»; 11. Juli, 17 Uhr, «Zum Goldenen Gaukler».