SARNEN: «Hier wird nicht verwaltet, sondern begegnet»

Bereits seit einem Jahr setzen sich 20 bis 30 Mitarbeiter der Colorbox für Flüchtlinge ein. Der «Hirschen» ist mittlerweile zum Flüchtlingstreff geworden.

Marion Wannemacher
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Die Familie von Jwana Mohamad Saleh Ali (Mutter) und Jallil Khallil Hamad (Vater) aus dem Irak hat in der Colorbox ein Stück zu Hause gefunden. (Bild: Marion Wannemacher / OZ (Sarnen, 30. März 2017))

Die Familie von Jwana Mohamad Saleh Ali (Mutter) und Jallil Khallil Hamad (Vater) aus dem Irak hat in der Colorbox ein Stück zu Hause gefunden. (Bild: Marion Wannemacher / OZ (Sarnen, 30. März 2017))

Marion Wannemacher

marion.wannemacher@ obwaldnerzeitung.ch

Im «Hirschen» wird dienstags und donnerstags in der Colorbox geredet, gekocht, gemalt, genäht, gespielt, getanzt oder musiziert. «Heute essen wir zum ersten Mal draussen», freut sich Adrian Hossli, Mitinitiator des Projekts für Flüchtlinge und Asylbewerber. Im Hof des ehemaligen Restaurants Hirschen sind die Tische unter den Platanen zu einer ­langen Tafel zusammengerückt. Semra Coban und Silvia Harvey haben gekocht, es riecht verführerisch nach gebackenen Kartoffeln mit Kräutern, Couscous mit Mezze, einer würzigen Joghurtsosse mit Auberginen und geschnetzeltem Fleisch. Mitinitiator Adrian Hossli und Projekt­koordinator Oskar Stockmann servieren. 23 Menschen aus 10 Nationen tafeln hier miteinander.

Seit einem Jahr gibt es die Colorbox bereits. Zwischen 20 und 30 freiwillige Helfer engagieren sich für Gesuchsteller des Bundeszentrums Glaubenberg. «Die Colorbox ist eine Wundertüte, ein bunter Würfel mit verschiedensten Angeboten», fasst Irene Spichtig aus dem Kernteam zusammen. Mittlerweile haben hier auch andere Flüchtlingsgruppen einen Ort zum Andocken gefunden. Neu ist der Sprachunterricht.

«Das Projekt Colorbox hat Zukunft, denn Flüchtlinge werden weiter ein Thema sein», hält ­Oskar Stockmann fest. «Wir wollen diese Angebote auch in Zukunft leisten und uns künftig auch für Gesuchsteller, die dem Kanton Obwalden bereits fest zugewiesen sind, als interkulturelles Zentrum einsetzen.» Stockmann lobt die Zusammenarbeit mit dem Staatssekretariat für Migration (SEM) und dem Bundeszentrum.

Willkommenskultur nicht nur ein Schlagwort

Seit das Malatelier im «Hirschen» untergekommen ist, hat es sich zum Flüchtlingstreff gemausert. Die viel zitierte Willkommenskultur ist in der Seestrasse 1 kein Schlagwort, sondern wird hier gelebt. «Hier wird nicht verwaltet, sondern begegnet», sagt Oskar Stockmann. Es kommen Menschen auf der Suche nach einer Heimat. Hier finden sie ein Stück davon. «Wenn sie zu uns kommen, leuchten sie», sagt Adrian Hossli.

Wie die Familie von Ex-Peschmerga-Kämpfer Jallil Khallil Hamad und seiner Frau Jwana Mohamad Saleh Ali. Daheim im Irak durfte das kurdische Ehepaar offiziell nicht zusammen­leben und musste nach 13 Jahren im Untergrund mit ihren drei Söhnen Barez, Mohammed und Bahez fliehen. Ihre jüngste Tochter Mensa wurde vor sechs Monaten in Calais geboren. Semra Coban, sie ist Gerichtsdolmetscherin, übersetzt, was das Paar über die Colorbox sagt: «Wir fühlen uns hier wohl und frei. Die Leute sind sehr freundlich.»

Manches geht den freiwilligen Helfern nahe. «Ein junger Vater, der mit seiner hochschwangeren Frau auf einem Boot flüchtete, konnte nur seine zweijährige Tochter vor dem Ertrinken bewahren, als das Boot kenterte. Immer wieder sagte er uns fassungslos über seine Frau: ‹She sank like a stone› (Sie ging wie ein Stein unter)», sagt Irene Spichtig.

Per Whatsapp-Chat oder Doodle organisieren sich die Helfer. Wer hier mitmacht, investiert nicht nur Herzblut, sondern setzt auch finanzielle Mittel ein. Heizöl im Winter, Lebensmittel (einen Teil davon stellt das Bundeszentrum), Haushaltgegenstände, Malmaterial – all das kostet Geld. Rund 500 Franken bringen die Helfer an persönlichen Spenden pro Monat auf. Unterstützung finden sie bei Kirchgemeinden. Immerhin, die Suche nach einem Dach über dem Kopf scheint beendet zu sein. Bis im Sommer kann die ­Colorbox noch im «Hirschen» bleiben, danach zügelt sie aller Voraussicht nach wieder an die Brünigstrasse 112, wo sie direkt nach ihrer Gründung startete.

Hinweis

Besucher, Spenden oder freiwillige Helfer sind bei der Colorbox willkommen. Kontakt: Nicole Wildisen, wildisen@hotmail.com