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Wer Menschen mit Demenz betreut, kommt an seine Grenzen. Um ethische Herausforderungen geht es am Mittwochabend in einem Vortrag in Sarnen.
«Super, dass Ihr zu diesem Thema etwas macht», hörte Esther Limacher mehrfach aus Fachkreisen als Reaktion auf ihre Einladung. Die Leiterin der Beratungsstelle Hilfe und Pflege der Gemeinde Sarnen organisiert im Rahmen des Projekts «Demenzfreundliche Gemeinde» einen Vortrag über die ethischen Herausforderungen im Zusammenhang mit Demenzerkrankungen. Dazu wird sich am Mittwochabend der Theologe, Ethiker und Gerontologe Heinz Rüegger aus Zürich vor Fachpublikum und Laien äussern. Esther Limacher freut sich, dass man in ihm einen so kompetenten Experten habe gewinnen können.
Der Titel des Vortrags lautet: «Damit die Menschlichkeit erhalten bleibt.» Doch ist das überhaupt möglich? Wenn es um Themen wie Zwangsernährung, Ruhigstellung oder das Recht auf einen selbstbestimmten Tod geht, sehen sich nahestehende Personen, Fachleute aus der Pflege und Medizin mit ethischen Fragen konfrontiert. «Auf jeden Fall ist das möglich und es muss auch ermöglicht werden», fordert Rüegger.
«Zum einen geht es darum, dass Menschen mit einer demenziellen Erkrankung nicht aus ihrem Mensch-Sein herausfallen, sondern Menschen sind wie wir alle, mit einer Würde, die geachtet werden muss.» Daraus ergebe sich, dass man sich überlege, wie man ihnen begegne, damit sie sich ernst genommen fühlen und wie es ihnen möglichst wohltut. Es gelte, sie nicht zum «Spielball des eigenen Gutdünkens» zu machen oder gar wie Kleinkinder zu behandeln, erklärt der Experte.
Ziel sei es, Betroffenen je nach Krankheitsstadium so viel Selbstständigkeit wie möglich zu lassen. «Wenn er oder sie das nicht mehr äussern kann, kann man immer noch nach seinem Wissen über Vorlieben oder Gewohnheiten versuchen, so mit dem Menschen umzugehen, dass es ihm entspricht und ihn nicht zu einem Objekt zu degradieren, das selber nicht mehr gefragt ist.» Vieles laufe in der Kommunikation auf der nonverbalen Ebene ab, hält Heinz Rüegger fest. «Bis hin zum Tonfall, zur Geschwindigkeit oder zur Körpersprache nehmen Menschen mit Demenz wahr, ‹da ist jemand, der mir wohlwollend begegnet, mich ernst nimmt, bei dem ich so sein darf, wie ich bin›.»
Dem Ethiker und Theologen geht es darum, eine Richtung vorzugeben, um eine menschliche Betreuung zu gewährleisten, aber keinesfalls darum, ein schlechtes Gewissen zu vermitteln. Aus der Praxis seiner Mitarbeit in einem Pflegeheim weiss er: «Der Umgang mit Demenzkranken ist hoch anspruchsvoll und nervlich enorm kräftezehrend.» Auch stehe nicht nur der Kranke im Fokus, sondern genau so der Mensch, der ihn begleite.
Der 67-Jährige betont, wie wichtig ein gutes Beratungsnetz ist. Dieses kann professionelle, semiprofessionelle und ehrenamtliche Dienstleistungen koordinieren und helfen, Schnittstellen von häuslicher, privater Betreuung sowie teilstationärer und stationärer Betreuung bekannt zu machen. «Wichtig ist, dass dem Angehörigen klargemacht wird, dass es nicht ehrenrührig ist, sich helfen zu lassen», erklärt Rüegger. In Bezug auf die demenzfreundliche Gemeinde unterstreicht er die Bedeutung des Umfelds. «So kann man schauen, dass Menschen mit Demenz in einer Kirchgemeinde, einem Chor oder einem Verein vielleicht auch dann teilnehmen können, wenn sie ein schräges Verhalten an den Tag legen. So müssen sie sich nicht in die Isolation zurückziehen.»
Hinweis: Der Vortrag von Heinz Rüegger findet am Mittwochabend um 19 Uhr in der «Residenz am Schärme» in Sarnen statt.