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In Sarnen und Stans sind grosse Teile des offiziellen Jubiläumsbuches zum 100-Jahr-Jubiläum des Circus Knie entstanden. In minutiösen Recherchen sind Schätze aufgetaucht, die sogar für die Familie Knie neu waren – wie ein Brief von General Guisan.
In seiner ganzen stolzen, hundertjährigen Geschichte konnte der Schweizer National-Circus Knie nicht ein einziges Mal in Nid- und Obwalden auftreten. Schuld ist ein logistisches Problem. Für die Auftritte war und ist das Zirkusunternehmen nämlich auch auf eigene Bahntransporte angewiesen. Die beiden Knie-Extrazüge passen aber nicht auf das hiesige Schmalspursystem. So ist die Reise in der Zentralschweiz in Luzern oder beispielsweise im Bündnerland in Chur zu Ende. Nachlesen kann man das im offiziellen Jubiläumsbuch «100 Jahre Schweizer National-Circus Knie», das zur diesjährigen Premiere am 21. März in Rapperswil erscheint.
Doch ausgerechnet in Ob- und Nidwalden ist das opulente Jubiläumswerk hauptsächlich entstanden. Die Familie Knie vergab den Konzept- und Autoren-Auftrag an den Sarner Kommunikationsfachmann Peter Küchler, der von 2012 bis 2016 Pressechef des Circus Knie war. Die grafische Umsetzung und das Design lag bei der Stanser Agentur Syn in den Händen von Silvan Bucher und Simon Leibundgut.
Das Werk, das für Schweizer Verhältnisse in einer beeindruckend grossen Auflage von 30000 Exemplaren in deutsch und französisch auf den Markt kommt, umfasst 240 Seiten und über 400 Bilder und Dokumente aus dem Archiv der Familie Knie. Vieles davon war noch nie zu sehen. Erhältlich sein wird das Buch aber nicht im offiziellen Buchhandel, sondern nur über die Kanäle der Knie-Unternehmung, also an Zirkusvorstellungen, über die Webseite oder in Knies Kinderzoo in Rapperswil.
Die grosse Auflage ist auch darauf zurückzuführen, dass der Circus Knie ein echtes Stück schweizerisches Volksgut ist. Das Interesse an der hundertjährigen Familiengeschichte dürfte gross sein, umso mehr als Nostalgie nach wie vor im Trend ist. Die meisten haben irgendwann in ihrem Leben eine Vorstellung des «National-Circus Knie» besucht. «Für mich war Clown Pic, den ich 1983 bei meinem ersten Knie-Besuch sah, der Held meiner Kindheit», erzählt Peter Küchler. Das Buch ist aber nicht nur für Zirkusfreunde eine Fundgrube an Informationen und Geschichten. «Zirkus war mit seinen Programmen und Kostümen auch immer ein Spiegel seiner Zeit und der damaligen Gesellschaft – zugleich war Zirkus aber auch immer eine eigene faszinierende Welt», so Peter Küchler. Dutzende von Stunden verbrachte er mit Chris Krenger, einem anderen ehemaligen, bekannt-umtriebigen, Knie-Pressechef im Zirkusarchiv, das in der ehemaligen Wohnung von Fredy Knie Senior. in Rapperswil untergebracht ist.
Im Archiv ruht eine riesige Sammlung von Dokumenten, Bildern, Korrespondenzen, Geschäftsunterlagen, Presseartikeln und sogar Kostümen. Und tatsächlich förderte Peter Küchler nicht nur viele Bilder zutage, welche die Familienmitglieder selber noch nie gesehen hatten, sondern auch andere, vergessene Schätze. Zum Beispiel einen Brief, den General Guisan 1943 während des Zweiten Weltkriegs nach einem Besuch einer Vorstellung der Familie schickte. Darin beglückwünschte er die Knies für das «hervorragende Programm» und bedankte sich für «die Gaben zugunsten der Wohlfahrtseinrichtungen der Armee».
Auf dem Brief prangte ein unübersehbarer Stempel des persönlichen Stabs des Generals, dass jegliche Veröffentlichung verboten sei. «Das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) in Bern gab uns auf Anfrage dann aber die Erlaubnis zum Abdruck», erzählt Peter Küchler. Man hätte damals halt Bedenken gehabt, dass solche Lobes-Schreiben des Generals für Werbezwecke missbraucht werden könnten.
Bei Silvan Bucher sorgte das Schreiben aber doch für etwas Stirnrunzeln. «Es handelt sich um ein bedeutendes historisches Dokument. Ich war jedenfalls ganz froh, als wir es reproduziert hatten und es wieder in einwandfreiem Zustand zurückgeben konnten.»
Die ganze Familien- und Unternehmensgeschichte, wie sie im Buch erzählt wird, hat Peter Küchler neu recherchiert und mit Dokumenten belegt. «Die Familie Knie hat mir bei den Recherchen und bei der Umsetzung viele Türen geöffnet, aber auch sehr viel Freiraum gelassen und grosses Vertrauen geschenkt. Es war unser gemeinsamer qualitativer Anspruch, dass alles fachlich und faktisch korrekt ist», betont Peter Küchler. Auch sei es von Anfang an klar gewesen, dass das Buch von A–Z in der Schweiz produziert wird.
Auf Rückfrage bestätigt Fredy Knie jun. am Telefon, dass die Familie selber viel Neues erfahren hat. «Einiges, das wir vorher nur aus Überlieferungen wussten und nicht sicher waren, ob das auch wahr ist, konnte nun belegt werden.» Die ganze Familie sei sehr zufrieden mit dem Buch, es sei schön geworden und minutiös recherchiert. «Ein Nachschlagewerk, das man immer wieder aus dem Büchergestell nehmen und anschauen kann.»
Nach dem Auspacken aus der goldenen Hülle öffnet sich der samtene rote Einband wie der Vorhang der Vorstellung, und es zieht die Leser in den Bann der Knie-Geschichte. So zeigt der Abschnitt «Knie-Fieber», dass Fans, die ihre Stars vergöttern, keineswegs eine neuzeitliche Erscheinung sind. In einem Bericht der NZZ vom 31. Mai 1932 geht es um Eugen Knie (4. Knie-Generation), der «Verwirrungen angerichtet» habe. «Drei Mädchen sind ihm nachgereist, aber die diesbezüglichen Väter haben sie wieder heimgeholt und dementsprechend behandelt.»
Aus den Anfangszeiten der Arena Knie erfährt man, dass Mutter Knie beim Geldsammeln nach den Vorstellungen den Klang jedes Geldstücks kannte und sofort wusste, wenn sich jemand mit einem Hosenknopf aus der Affäre ziehen wollte. Und wie sie sich anfänglich gegen die Pläne ihrer Söhne stemmte, ein Zelt zu kaufen. Obwohl sie über die Jahre ein beträchtliches Vermögen angespart habe - über eine Million Franken habe sie unter der Matratze im Zirkuswagen aufgehoben. Mit ihrer Sparsamkeit bewahrte sie das Unternehmen in den Kriegsjahren zuvor aber vor dem sicheren Ruin. Der Kauf eines Zeltes auf Pump erwies sich 1919 dann aber doch als richtige Entscheidung, von da an ging es mit dem «National-Circus Knie» rasant bergauf. Im Buch, das in 10-Jahres-Abschnitte aufgeteilt ist, findet sich auch ein Kapitel, das sich mit den «Clowns» Dimitri und Emil befasst, die letztlich den Circus Knie nachhaltig mitprägten. Anfänglich ein Wagnis für den Zirkus, von dessen Erfolg der artistische Direktor Fredy Knie sen. aber immer felsenfest überzeugt war, begründeten sie letztlich das Markenzeichen der Gastkomiker, das bis heute Bestand hat.
Unterhaltsam wird geschildert, wie Dimitri und Emil der Schritt von der Kleinkunstbühne in die Manege nicht leicht fiel, wie es aber beide doch schafften, die Herzen des Publikums zu erobern. Über Emil schrieb die «Schweizer Illustrierte» 1977: «Wenn die Leute ihn nur sehen, dann lachen sie. Dabei lachen sie über sich selbst. Denn er ist so wie sie.» Als Emil nach der Vorstellung seine Mutter fragte, was ihr am besten gefallen habe, meinte diese aber: «Der Vater Fredy Knie, er ist so ein charmanter Mann.» (unp)