SARNERAATAL: Was geschieht bei neuem Riesenhochwasser?

Angenommen, das Hochwasserschutzprojekt ist 2025 abgeschlossen, der Stollen fertig, die Sarneraa verbreitert und angepasst. Und nun ereignet sich ein Hochwasser wie 2005. Wir fragten Projektleiter Raphael Vonaesch, was in diesem Fall dannzumal ablaufen würde.

Aufzeichnung Markus von Rotz
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Raphael Vonaesch beim ausgesteckten Wehr-Bauwerk bei der Brücke über die Rütistrasse. Bild: Markus von Rotz (Sarnen, 10. November 2016)

Raphael Vonaesch beim ausgesteckten Wehr-Bauwerk bei der Brücke über die Rütistrasse. Bild: Markus von Rotz (Sarnen, 10. November 2016)

«Natürlich hoffen wir, dass ein Hochwasser wie das von 2005 ein sehr seltenes Ereignis bleibt und auch künftig nur rund alle 300 Jahre auftritt. Sollte es jedoch so weit kommen, würde man den Hochwassermodus ­manuell einschalten, sobald sich aufgrund von Prognosen abzeichnet, dass sich der Seepegel der Schadensgrenze von 470,5 Metern nähern könnte. Da kann man sich einen Schalter vorstellen zum Öffnen des Hoch­wasserentlastungsstollens, von einem «roten Knopf» zu reden wäre aber übertrieben. Als Notnagel würde der Hochwasser­modus, falls alle den Dauerregen «verschlafen» sollten, bei 470,2 Metern über Meer automatisch einschalten, 30 Zentimeter unter der Schadensgrenze.

Ziel ist, den Hochwasser­modus nur spärlich einschalten zu müssen, um den natürlichen Verlauf des Seepegels und des Abflusses in der Sarneraa möglichst wenig zu beeinflussen. Auch bei eingeschaltetem Hochwassermodus bleibt der Stollen geschlossen, solange der See­pegel nicht steigt. Darum ist auch weiterhin eine Vorabsenkung des Sarnersees nicht möglich. Eine solche wäre aus heutiger Sicht auch nicht umweltverträglich. Steigt der Seepegel jedoch stark und genügt die Abflusskapazität der Sarneraa nicht, öffnet sich der Stollen. Für so ein grosses Ereignis wie 2005 wird die volle Stollenkapazität von 100 Kubikmetern pro Sekunde nötig sein.

Nach und nach wird sich das Hilfswehr füllen und aufstellen, wenn der Abfluss der Sarneraa ohne dieses so hoch würde, dass es zu Schäden im Dorf käme. Das Hilfswehr oberhalb der Brücke an der Rütistrasse wird als Schlauchwehr gebaut. Das Füllen (Aufstellen) und Leeren (Absenken) wird über vier Schächte und Pumpen automatisch gesteuert. So wird der Abfluss gedrosselt, bis der Seepegel auf zirka 471,4 Metern liegt. In der Sarneraa fliessen dann 32 Kubikmeter Wasser pro Sekunde ab – das ist die maximale Abflusskapazität im oberen Abschnitt. Zum Vergleich: 2005 flossen 160 Kubikmeter pro Sekunde aus dem See durchs Dorf. Sollte es erneut so schlimm kommen wie 2005, würde der See gemäss den vorliegenden Simulationen mit den geplanten Massnahmen auf 471,4 Meter über Meer steigen.

Bei 470,5 Metern liegt die theoretische Schadensgrenze. Hier würde der Sarnersee über die Ufer treten. Dessen Regulierung ist nicht direkt mit der des Vierwaldstättersees verknüpft. Das Regulierkonzept wurde jedoch frühzeitig mit den Unterliegern diskutiert, und die Interessen der Unterlieger sind im Wehrreglement berücksichtigt. Unser Reglement ist wesentlich einfacher als jenes am Vierwaldstättersee mit dem Reusswehr. Dieses bezieht auch die Schneehöhen im Einzugsgebiet und andere Faktoren ein. Der Abfluss des Stollens und das Hilfswehr sind anders als beim Reusswehr in Luzern, das zwar auch automatisch gesteuert, aber mit dem Nadelwehr teils manuell bedient wird, vollständig automatisch einstellbar. Wir gehen aufgrund des Durchschnitts der letzten 41 Jahre (1974 bis 2014) davon aus, dass der Stollen pro Jahr 10 bis 11 Tage in Betrieb sein wird und durchschnittlich nur an einem Tag mehr als 15 Kubikmeter pro Sekunde hindurchfliessen. An 330 Tagen dürften weder Stollen noch Hilfswehr in Betrieb sein.»

Aufzeichnung Markus von Rotz